Scharf, schärfer - unscharf

Dengeln und Wetzen, gerne wird beides in einen Topf geworfen unter der landläufigen Annahme, daß beide Tätigkeiten dem Schärfen der Schneide dienen. Beim näheren Studium des Sachverhaltes erweist sich dann das Dengeln als der Schritt, der ausschließlich die Härte des Dangels - also des Bereiches, welcher beim Dengeln mit dem Hammer getroffen wird - erhöht und somit die Standzeit der Schneide beim Mähen verlängert. Und daß nur das Wetzen einen direkten Einfluß auf die Schärfe der Schneide hat.

 

Ein weiterer erwünschter Effekt des Dengelns ist das Ausziehen und “Dünnklopfen” des Dangels, was die Wirksamkeit des anschließenden Einsatzes des Wetzsteines verbessert, d.h. die Schneide wird gefühlt schneller scharf. Zweifellos hat ein reduzierter Schneidenwinkel eine aggressivere Wirkung als der stumpfe Winkel, zu dem man unweigerlich nach längeren Perioden des Wetzens gelangt.

 

Soweit so gut.

 

 

 

 

Interessant ist es, die Auswirkungen beider Tätigkeiten unter entsprechender optischer Vergrößerung (40-fach ist völlig ausreichend) zu verfolgen. Angenommen man hat ein gut gepflegtes Blatt, welches man routinemäßig dengeln möchte. 

 

 

Man konzentriert sich deshalb auf die vordersten knappen zwei Millimeter der Schneidkante und zieht diese mit jedem Hammerschlag um höchstens zwei Zehntelmillimeter nach außen. Der Blick durch das Mikroskop läßt zwei Schlüsse zu: 

A) Die polierten Hammer - und Amboßbahnen verbessern die Oberfläche des Dangels. Kratzer und winzige Rostnarben sind “ausgewalzt”. (Dies unterstreicht die Wichtigkeit der makellosen Oberfläche von Hammer- und Amboßbahn).

B) Die Schneidkante selbst - sprich die vordersten etwa zwei Zehntelmillimeter - bleibt vom Dengeln unbeeinflußt.

 

 

Die Beobachtung B) ist möglicherweise nur von akademischer Bedeutung. Jedoch räumt sie noch einmal schön mit der landläufigen Annahme auf, daß das Dengeln dem Schärfen diene. Und wahrscheinlich wird sie Zweifler auf den Plan rufen, die es hier zu entkräften gilt: Sollte mein Ziel wirklich eine Schneidkante sein, deren Stärke gegen Null geht (also noch dünner als “papierdünn”) müßte man mit exzessiver Kraft nur haargenau auf die Schneide schlagen - und bekäme eine unerwünschte “Ausblühung”, wie es manchmal passiert, wenn man mit einem verkanteten Hammer zugeschlagen hat. Das ist nicht das Ziel korrekten Dengelns!

 

So obliegt nun die Herstellung der Schneide dem Wetzstein. Auch dabei ist es sehr aufschlußreich, das Mikroskop hinzuzuziehen: Beim richtigen Anstellwinkel des Wetzsteines (Unterseite so flach wie praktisch möglich, Oberseite durch die Höhe des Sensenrückens bedingt) bildet sich eine Fase von jeweils etwa einem halben Millimeter mit den deutlich zu sehenden Riefen, die von der Körnung des Steines herrühren. In Abhängigkeit vom Anpreßdruck des Steines entsteht zusätzlich direkt auf der Schneidkante ein mehr oder weniger ausgeprägter Grat, welcher unter Vergrößerung eher wie ein irregulärer Stolperpfad aus unterschiedlich großen Metallfetzen erscheint. 

 

 

Entgegen mehrfach geäußerter Meinungen erzeugt die Körnung des Steines NICHT die gezahnte Kante eines Sägemessers! Nach einem Mähschwung im Gras sind fast alle Bestandteile des Grates entweder abgebrochen oder umgebogen und von diesem Moment an besitzt die Schneidkante eine mehr oder weniger glatte Linie. 

Verglichen mit den optischen Anforderungen an Schneiden von Holzwerkzeugen wie Hobel oder Stechbeitel - wo zwei mit feinstem Korn spiegelnd glatt geschliffene Ebenen auf einer  makellosen Schnittlinie zusammenstoßen - ist die Sensenschneide eine eher irreguläre, immer wieder durchs Wetzen neu definierte “Abbruchkante”.

Mit dieser Schneide wird man sich dann für die nächsten 20-40 Mähschwünge begnügen, bis einem die Erfahrung rät, erneut zum Wetzstein zu greifen.  

 

Der Grat, den man bei jedem Wetzen erzeugt, ist genau das Material, welches dann im Laufe des Mähens verloren geht und als Resultat über einen langen Zeitraum hinweg das Blatt schmaler werden läßt. Allerdings ist die Verringerung der Blattbreite relativ zu sehen - pro durchschnittlichem Mäheinsatz verliert das Blatt etwa 0,3 mm, was sowohl von der Qualität das Dangels als auch von der Körnung und Härte des Wetzsteines abhängt. 

Stahlqualität des Blattes, Zeitpunkt des letzten Dengelns, Wetztechnik, Härte und Körnung des Wetzsteines - alles Variablen, die in die Gleichung für eine scharfe Sense eingehen und mit denen jeder dann in der Praxis seinen eigenen Frieden schließen muß bzw. Kompromisse einzugehen hat.

 

Wäre die Sense wieder so populär wie es momentan die Motorsäge ist, gäbe es mit Sicherheit hunderte von Beiträgen im Netz, die sich mit Schärftechniken bzw. Pflege des Sensenblattes auseinandersetzen würden. Und in Analogie zur gut gefeilten Sägekette wäre den meisten gemeinsam, daß es um die Freude am erfolgreichen Dengeln und Schärfen geht - weil diese Pflege letztendlich die Mahd zu einer lustvollen Tätigkeit geraten läßt.


Sensenbaum mal anders

Sehr zu empfehlen ist, sich mit der Verwendung des osteuropäischen Sensenbaums / Worbs auseinanderzusetzen, wenn man sich für mögliche Variationen des Sensenmähens begeistern kann. Das vielleicht bestechendste beim Einsatz dieses Worbs ist, daß fast automatisch zwei gerne begangene Technikfehler ausgemerzt werden:

Durch leicht veränderte Hebelverhältnisse entlang der Baum-Achse “hängt” das Sensenblatt derartig am Griff der rechten Führungshand, dass das Heben des Blattes beim Schwungholen einen solchen Kraftaufwand nötig machen würde, daß man dieses von selbst unterläßt.

Des weiteren kann man gar nicht anders, bedingt durch das Fehlen des oberen Griffes, als das Blatt in seinem ihm angestammten  Kreisbogen zu führen anstatt, wie gerne gemacht, das Blatt seitlich zu “reißen”. Auch hier gilt, je länger das Blatt, desto laufruhiger ist sein Schnitt. 

Insofern, selbst wenn dies am Anfang etwas vermessen wirken mag, kann man sich zur XXL-Dimensionierung bekennen, sprich ein Worb, der weit über Haupteslänge reicht, ausgestattet mit einem Blatt, welches man normalerweise für sich als zu lang deklarieren würde.

In morgenfrischem, kniehohen Gras auf entsprechend glattem Untergrund kann man dann einem wahren Mahdrausch verfallen.

 

Zu bauen ist der Sensenbaum erschreckend einfach und stellt nicht nur von der Kostenseite eine ernstzunehmende Alternative für die ergonomisch optimierten Wörbe der bekannten Qualitäts-Hersteller dar.

Ein vorzugsweise aus dem Stamm gespaltener Rohling bildet die Grundlage für diese anfänglich grobschlächtig wirkende Variante eines Worbs. Bei zähen und langfasrigen Holzarten wie Eiche oder Esche kann man dann des Gewichtes wegen gefühlvoll an die Grenzen der Statik gehen, indem die landläufigen Querschnitte minimiert werden bis zu einem Ausmaß, das sich der Worb etwas “wabbelig” anfühlt. Gerne kann dabei das obere Drittel um einiges schlanker geformt werden als der “Wurzelbereich” da sich die Kräfte, die dort abgefangen werden, in Grenzen halten.

Der einzige, sich leicht vom Nutzer weg neigende Griff befindet sich in Bauchnabelhöhe und ist derartig in die Achse eingezapft, daß er - der natürlichen Stellung der Hand entgegenkommend - leicht zum Sensenblatt hin weist. Am besten probiert man diese Schokoladen-Stellung aus, indem man den fertig ausgeformten Griff so lange an der Achse positioniert, bis es sich perfekt anfühlt und markiert dementsprechend das Zapfenloch.

Zum Griff selbst sei noch zu sagen, daß man sich unbedingt die Zeit nehmen sollte, ihn mit Hilfe von Raspel, Feile und Sandpapier zu einem wahren “Joy-Stick”  zu verwandeln - blasenfreie Haut an der rechten Hand dürfte ausreichender Lohn dafür sein.

Die Blattstellung folgt den üblichen Regeln für konventionelle Wörbe, die Schneide in Mähhaltung eine Bleistiftstärke über dem flachen Boden und der Kreis eingestellt mit der der Blattlänge entsprechend hängenden Spitze. Um zu letzterer Einstellung in erster Näherung zu kommen, umfaßt man die Achse mit der linken Hand an der Stelle, wo man das angenehmste Gefühl beim Mähen haben würde und hält sich diesen Punkt beim probeweisen Zirkelschlagen an die Fußbeuge (hier wird vorausgesetzt, daß die Technik des Überprüfens des Zirkels eine Bekannte darstellt). Das individuelle fine tuning erfolgt dann nach den ersten Probeschwüngen.

 

Wer sich in die russischsprachige Sparte von youtube wagt, wird schnell fündig wenn es um Beispiele zum Heumachen mit dieser Form eines Worbes geht, zum Teil in berauschend schönen Landschaften. In diesem Sinne - ein Versuch ist es allemal wert und mag zu einem völlig neuen Mähgefühl führen. Viel Freude!